Verfasst von: Marlon Fronhofer | Oktober 26, 2008

Dynamisches Wachstum der Tourismuswirtschaft in Indien

Internationale Touristenankünfte in Indien Quelle : (Tourism Satellite Accounting 2008)

In der letzten Dekade war die indische Tourismuswirtschaft von hoher Dynamik gekennzeichnet und Indiens Engagement in Tourismus hat dem Land internationale Anerkennung und zahlreiche renommierte Auszeichnungen eingebracht (Ministry of Tourism and Culture 2007). Derzeit ist mit 30,491,000 Menschen jeder 15te indischer Arbeitsplatz in der indischen Tourismuswirtschaft angesiedelt. Diese erwirtschaftet 6,1% des indischen BIP und stellt 6,7% aller Exporte. Der World Travel & Tourism Council (WTTC) prognostiziert der indischen Tourismuswirtschaft ein hohes durchschnittliches Wachstum von jährlich 7,6% bis 2018. Damit liegt Indien über dem weltweiten Wachstum der Branche von 4% (Tourism Satellite Accounting 2008)1. Mit Steuererleichterungen, Investitionen, umfangreichen Förder­programmen, diversen Studien und Master­plänen versucht die indische Regierung den Sektor weiter zu unterstützen (All India Management Association, The Boston Consulting Group 2003; Pannell Kerr Forster Consultants Pvt Ltd Oktober 2003; Ministry of Tourism and Culture 2007). Auch einen weiteren Ausbau des wichtigen Binnentourismus strebt Indien an (Ministry of Tourism and Culture 2003). Zudem rücken für den 11ten Fünfjahresplan die Himalayastaaten Sikkim, Jammu & Kaschmir, Himachal Pradesh und Uttarakhand in den Fokus der Tourismusförderung. Für diese Länder sollen dabei besondere Anreize zur Entfaltung ihrer Tourismuswirtschaft geschaffen werden (Government of India 2007).

Tourismus als „nationale Priorität“

Gründe für die gute Leistung und wachsende wirtschaftliche Bedeutung der indischen Tourismuswirtschaft sind vor allem in veränderten politischen Rahmenbedingungen zu finden. Mit einer Umgestaltung der Verantwortungsbereiche mehrerer Ministerien und der Neuausrichtung und Stärkung des Ministry of Tourism and Culture markieren die Jahre 2000-2002 den Wendepunkt in der indischen Tourismuspolitik. Davor überschnitten sich die Kompetenzbereiche diverser Ministerien in Bezug auf Tourismus, es gab Konflikte und Unstimmigkeiten zwischen mehreren Ministerien und es konnte keine einheitliche Tourismuspolitik formuliert werden (Singh 2001, S. 143; Hannam 2004).

Dies änderte sich mit den 10ten Fünfjahresplan (2002-2007) der indischen Regierung, indem der Tourismussektor schließlich als wichtiges Instrumentarium der nationalen Entwicklungspolitik und als „nationale Priorität“ identifiziert (Government of India 2002) wurde, so dass 2002 endlich eine einheitliche Entwicklungsstrategie für Tourismus formuliert werden konnte. In der National Tourism Policy 2002 werden dabei anspruchsvolle Ziele formuliert:

„The Ministry of Tourism had prepared a draft National Tourism Development Policy with the objective of positioning tourism as a major engine of economic growth and to harness its direct and multiplier effects for employment and poverty eradication in an environmentally sustainable manner. […]. Sustainability should serve as a guiding star for the new Policy. […]. It [tourism] must help in eliminating poverty, in ending unemployment, in creating new skills, in enhancing the status of woman, in preserving cultural heritage, in encouraging tribal and local crafts and in improving overall environment and facilitating growth of a more just and social order (Department of Tourism 2002).“

Die „unangenehme Attraktivität“ des Tourismus

Die Tourismuspolitik Indiens verfolgt ehrgeizige Ziele und auch auf lokaler Ebene werden von einem Engagement im Tourismus viele wichtige Vorteile erhofft. Zu Recht, denn Fallstudien und Erfahrungen aus der Entwicklungs­zusammenarbeit bestätigen, dass Tourismus als sektorübergreifende Aktivität direkt und indirekt zur Errichtung und Erhaltung von Naturschutzgebieten, zum Natur- und Ressourcenschutz, zum Wohlstand und zu verbesserten Lebensbedingungen lokaler Gemeinden, zur Stärkung strukturschwacher, peripherer Gebiete, zur sozio-ökonomischen Revitalisierung zerfallender Gemeinden, zur Förderung der Privatwirtschaft, zur Diversifizierung von Einkommensmöglichkeiten für ländliche Gemeinden und zum Erhalt oder Reaktivierung kulturellen Erbes beisteuern kann. Zudem bringt internationaler Tourismus wertvolle Devisen und trägt damit zum Ausgleich der Zahlungsbilanz eines Landes bei (Gale 2006, S. 113,114; Steck et al. 1999, S. 7).

Aber in seiner Ambivalenz liegt die „unangenehme Attraktivität“ des Tourismus (Steck et al. 1999), da er neben seinen positiven Potential auch eine „zerstörerische Kraft“ darstellt und so Individuum, Gemeinschaft, Umwelt und die Wirtschaft massiv schädigen kann (Gale 2006). Denn eine Betätigung im Tourismus birgt die Risiken marktwirtschaftlicher Mechanismen, in denen Konkurrenzfähigkeit und betriebswirtschaftliche Rentabilität die zentralen Ziele und gleichzeitig die Voraussetzungen für ihr Funktionieren darstellen (Steck et al. 1999). Dabei treibt Tourismus als „Leitökonomie des 21. Jahrhunderts“ durch sein enormes volkswirtschaftliches Ausmaß Prozesse der technisch-ökonomischen sowie der kulturellen Globalisierung voran (Hopfinger 2007). Durch seine „Tendenz zur Peripherie“ (Vorlaufer 1996, S. 172) werden diese in bis dato periphere, ländliche Gebiete mit vorwiegend traditionell lebender Bevölkerung wie Sarmoli-Jaiti (an dieser Stelle wird demnächst ein link zur genaueren Erklärung bezüglich einer gemeinde-basierten Tourismusinitiative im entlegenen Himalaya erscheinen) getragen (Sharpley 2002). Vielfältige negative Auswirkungen auf die Menschen, Kultur, Umwelt, regionale und nationale Wirtschaft sind umfangreich dokumentiert worden (Ashley 2000; Batta 2006; Blackstock 20050101; Becker et al. 2007; Cooper & Hall 2008; Gale 2006; Gössling 2002/4; Kiss 2004/5; Liu 2003; Palm 2000; Pamela Godde 1999; Parvez & Rasmussen 2004; Sharpley 2002; Steck et al. 1999; Strasdas et al. 2007; Telfer 2002; Vorlaufer 1996).

Folgende Artikel werden die touristische Entwicklung in Indien und Südasien beobachten und diskutieren.

Marlon Fronhofer 2008

1 Trotz des seit 2000 auf internationaler Ebene eingeführten und allgemein anerkannten Tourism Satellite Account, einem einheitlichen Verfahren zum Erheben tourismusrelevanter Daten, ist es nicht möglich genaue Daten über Ausmaß und ökonomischen Einfluß von Tourismus, sowohl international und im Besonderen für Uttarakhand, zu erheben Theobald 2005b, S. 8; Pannell Kerr Forster Consultants Pvt Ltd Oktober 2003; Singh 2001; Parvez & Rasmussen 2004.

Literaturverzeichnis

All India Management Association, The Boston Consulting Group (Hg.) (2003): INDIA’S NEW OPPORTUNITY – 2020. – 40 Million New Jobs – $200 Billion Annual Revenue. HIGH LEVEL STRATEGIC GROUP.

Ashley, Caroline (2000): The impact of tourism on rural livelihoods. Namibia’s experience. Herausgegeben von Overseas Development Institute. London,. (Working paper / Overseas Development Institute). Online verfügbar unter http://www.odi.org.uk/publications/wp128.pdf.

Batta, Ravinder N. (2006): Evaluating Ecotourism in Mountain Areas: A Study of Three Himalayan Destinations. In: International Review for Environmental Strategies, Jg. 6, H. 1, S. 41-61.

Becker, Christoph; Hopfinger, Hans; Steinecke, Albrecht (Hg.) (2007): Geographie der Freizeit und des Tourismus Bilanz und Ausblick. 3., unveränd. Aufl. München: Oldenbourg R.

Blackstock, Kirsty (20050101): A critical look at community based tourism. In: Community Development Journal, Jg. 40, H. 1, S. p39 – 49.

Cooper, Chris; Hall, Colin Michael (2008): Contemporary tourism. An international approach. 1. ed. Amsterdam: Elsevier/Butterworth-Heinemann.

Department of Tourism (2002): National Tourism Policy 2002. Herausgegeben von Ministry of Tourism and Culture. Government of India.

Gale, Trace E. (2006): Finding meaning in sustainability and a livelihood based on tourism: An ethnographic case study of rural citizens in the Aysen Region of Chile. Dissertation. West Virginia.

Gössling, Stefan (2002/4): Human-environmental relations with tourism. In: Annals of Tourism Research, Jg. 29, H. 2, S. 539-556.

Government of India (Hg.) (2002): 10th Five Year Plan. Planning Comission.

Government of India (Hg.) (2007): Eleventh Five Year Plan 2007-12. Planning Comission. Online verfügbar unter http://planningcommission.nic.in/plans/planrel/fiveyr/welcome.html.

Hannam, Kevin (2004): Tourism and Forest Management in India: The Role of the State in Limiting Tourism Development. In: Tourism Geographies, Jg. 6, H. 3, S. 331-351.

Hopfinger, Hans (2007): Geographie der Freizeit und des Tourismus. In: Gebhardt, Hans (Hg.): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. 1. Aufl. München, Heidelberg: Elsevier Spektrum Akad. Verl. .

Kiss, Agnes (2004/5): Is community-based ecotourism a good use of biodiversity conservation funds? In: Trends in Ecology & Evolution, Jg. 19, H. 5, S. 232-237.

Liu, Zhenhua (2003): Sustainable Tourism Development: A Critique. In: Journal of Sustainable Tourism, Jg. 11, H. 6, S. 459-475.

Ministry of Tourism and Culture (2003): Domestic Tourism Survey. Herausgegeben von Government of India. Ministry of Tourism and Culture.

Ministry of Tourism and Culture (2007): Annual Report 2007-08. Incredible India. Herausgegeben von Ministry of Tourism and Culture.

Palm, Petra (2000): Community based. Tourism als eine Form des nachhaltigen Tourismus in kommunalen Gebieten Namibias. Eschborn: GTZ (Tropenökologisches BegleitprogrammÖkologische Ökonomie).

Pamela Godde (1999): Community-based mountain tourism: Practices for linking conservation with enterprise. Godde, P. (ed.). 1999. Community-Based Mountain Tourism: Practices for Linking Conservation with Enterprise. Synthesis of an Electronic Conference, April 13May 18, 1998. Mountain Forum and The Mountain Institute. Online Diskussion.

Pannell Kerr Forster Consultants Pvt Ltd (Oktober 2003): Master plan for development of trekking routes in Uttaranchal. Herausgegeben von Department of Tourism und Government of Uttaranchal. New Delhi,. Online verfügbar unter http://gov.ua.nic.in/uttaranchaltourism/Tourism%20Master%20Plans.htm.

Parvez, Safdar; Rasmussen, F. Stephen (2004): Sustaining mountain economies: Poverty reduction and livelihood opportunities. In: Price, Martin F.; Jansky, Libor; Iastenia, Andrei A. (Hg.): Key issues for mountain areas. Tokyo: United Nations University Press , S. 86-110.

Sharpley, Richard (2002): Tourism: A Vehicle for Development? In: Sharpley, Richard; Telfer, David J. (Hg.): Tourism and development. Concepts and issues. Clevedon: Channel View Publications (Aspects of tourism), S. 11-34.

Singh, Shalini (2001): Indian Tourism: Policy, Performance and Pitfalls. In: Harrison, David F. (Hg.): Tourism and the less developed world. Issues and case studies. Wallingford: CABI .

Steck, Birgit; Strasdas, Wolfgang; Gustedt, Evelyn (1999): Tourismus in der Technischen Zusammenarbeit. Ein Leitfaden zur Konzeption, Planung und Durchführung von projektbegleitenden Massnahmen in der ländlichen Entwicklung und im Naturschutz: TZ – Vlg.

Strasdas, Wolfgang; Beyer, Matthias; Häusler, Nicole (2007): Tourismus als Handlungsfeld der deutschen Entwicklungszusammenarbeit – Grundlagen, Handlungsbedarf und Strategieempfehlungen. Herausgegeben von GTZ.

Telfer, David J. (2002): The Evolution of Tourism and Development Theory. In: Sharpley, Richard; Telfer, David J. (Hg.): Tourism and development. Concepts and issues. Clevedon: Channel View Publications (Aspects of tourism).

Theobald, William F. (2005): The meaning, scope,and measurement of travel and tourism. In: Theobald, William F. (Hg.): Global tourism. 3rd ed. Amsterdam: Butterworth-Heinemann .

Tourism Satellite Accounting (2008): The 2008 Travel & Tourism Economic Research. INDIA. Herausgegeben von World Travel and Tourism Council. World Travel and Tourism Council.

Vorlaufer, Karl (1996): Tourismus in Entwicklungsländern. Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen Entwicklung durch Fremdenverkehr ; mit 28 Tabellen im Text. Darmstadt: Wiss. Buchges.


Hinterlasse einen Kommentar

Kategorien